Ein Plädoyer für mehr Mut bei der Markenprofilierung. Oder: Wer keine Feinde hat, hat wahrscheinlich auch keinen Charakter! (Paul Newman)

Seien wir ehrlich: Eigentlich möchten wir alle gemocht werden. Das gilt auch in der Markenführung – und heutzutage umso mehr. Marken sind als Identifikationsanker gefragt sind, das Schlagwort Beziehungsmarke macht die Runde und Shitstorms sind dank sozialen Medien schnell ausgelöst.

Also sind die Marken stark, die keinen Anlass zur Kritik geben, richtig? Falsch!

Gerade starke Marken zeichnen sich durch ein klares (und mitunter auch polarisierendes) Profil aus. Sie fokussieren sich einerseits konsequent auf ihre Leitidee und andererseits auf die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Zielgruppe – auch um den Preis, sich mit ihrem Verhalten außerhalb der eigenen Zielgruppe Feinde zu machen.

Beispielsweise erklärt sich so die Entscheidung von Apple, beim aktuellen iPhone 7 die Kopfhörerbuchse wegzulassen. Die, die Produkteinführung begleitenden, Diskussionen zeigen schnell: Diese Entscheidung wurde eher nicht getroffen um der breiten Öffentlichkeit zu gefallen. Vielmehr unterstreicht sie die Markenprofilierung, Produkte maximal zu vereinfachen und konsequent bestehende Standards in Frage zu stellen. Dabei nimmt Apple bewusst in Kauf, potenzielle Kunden zu verärgern – in Zeiten rückläufiger Absatzzahlen ein sehr mutiger Schritt!

Wieso sollte ich dieses Risiko eingehen?

Aus Markensicht profitiert Apple sogar davon, sich mit dieser Entscheidung Feinde zu machen. Das klingt zunächst paradox, erklärt sich aber, wenn wir die erwähnten Diskussionen genauer verfolgen. Es stehen sich zwei Gruppen mit verhärteten Fronten gegenüber, die Apples Verhalten unterschiedlich interpretieren. Die eine Gruppe als Zeichen für Apples Engstirnigkeit und das Geschick, unnützes Zubehör zu verkaufen. Die andere Gruppe dagegen als erneuten Beweis für Apples Innovationskraft. Wenn wir ehrlich sind, bringt diese Diskussion also wenig Neues. Vielmehr werden genau diese „Argumente“ bei eigentlich jedem neuen Produkt ausgetauscht – und das ist auch gut so.

Nutzen für Marken.

Hier kommt ein Phänomen zum Tragen, das wir auch als „Theorie der sozialen Identität“ kennen. Vereinfacht besagt diese, dass Menschen nach einer positiven Selbsteinschätzung streben. Unsere Selbsteinschätzung beziehen wir dabei zum Teil aus der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe und werten diese im Vergleich zu anderen Gruppen auf.

Entsprechend tragen diese Diskussionen dazu bei, dass wir in Bezug auf Apple weniger von „Kunden“, als vielmehr von „Jüngern“ sprechen. Je öfter ein „Jünger“ gezwungen wird, seine Entscheidung für die Marke gegenüber anderen zu verteidigen, desto loyaler steht er dieser gegenüber.

Fazit

Haben Sie also den Mut, durch Ihre Markenprofilierung bewusst Grenzen zu ziehen. Jede Markenpositionierung und jede Zielgruppensegmentierung ist per se immer auch ein Ausschlussverfahren. Es ist nicht möglich zu definieren, für welche Werte unsere Marke steht bzw. an wen sie sich wendet, ohne damit gleichzeitig auszudrücken, wofür sie nicht steht bzw. an wen sie sich nicht wendet. Formulieren Sie neben dem „Ist“ also bewusst auch das „Ist nicht“ als Teil der Markenpositionierung. Gerade das schärft das Markenprofil und bietet der Zielgruppe damit erst einen wirklichen Identifikationsanker.

Zeigen Sie also bewusst Ecken und Kanten – und freuen Sie sich auch über Gegenwind. Sie wissen ja, was man über „Everybody’s Darling“ sagt …