Markenstandpunkt: Vom Start-Up zur Marke. Oder: Die Tücken des Erwachsenwerdens

Es ist 19:30 Uhr. Ein Samstagabend im November. Es ist kalt, windig und dunkel. Ich stehe am Busbahnhof in Bregenz und warte auf meinen Fernbus, der eigentlich gerade Richtung München abfahren sollte. Keine Durchsage, keine Anzeigetafel und auch das Smartphone bleibt stumm – schon blöd, so ohne mobilen Internetempfang im Ausland. Ziemlich verloren stehe ich also an der kleinen Haltestelle, rauche und werde erst genervt und schließlich ziemlich sauer… Streng genommen ist an diesem Abend also nichts Spektakuläres passiert. Und sicherlich fragen Sie sich jetzt, warum ich Ihnen diese kleine Anekdote trotzdem erzählt habe.

Marke ist nicht gleich Marke.

Das Beispiel markiert einen aus Markensicht spannenden Wendepunkt: Den Schritt vom Start-Up zur etablierten Marke. Lassen Sie uns die Situation also noch einmal genauer unter die Lupe nehmen.

Verspätungen sind grundsätzlich ganz alltäglich – gerade im Winter gehören sie dazu. Und so war es natürlich auch nicht das erste Mal, dass ich auf einen Fernbus gewartet habe. Ebenso wie auch schon auf Flugzeug und Bahn.

Allerdings mit einem entscheidenden Unterschied. Über die Lufthansa hatte ich mich schon geärgert, über die Bahn sowieso – bei Flixbus hingegen war es das erste Mal. Bisher hatte ich Komplikationen einfach akzeptiert – egal, ob Verspätungen oder auch nicht funktionierendes WLAN an Bord.

Wenn aber die Situation an sich identisch ist, wieso dann in diesem Moment eine andere Reaktion darauf? Natürlich spielen dabei die äußeren Umstände eine gewisse Rolle: Wie ist generell die Laune an diesem Tag? Wie voll ist der Terminkalender? Wie (un)angenehm ist das Wetter?

Aus Markensicht spielt daneben auch die Beziehung zum Anbieter eine entscheidende Rolle. Generell ist es so, dass wir als Kunden (unbewusst) etablierten Marken gegenüber anspruchsvoller auftreten, während Start-Ups einen gewissen „Welpenschutz“ genießen. Und genau dieser Aspekt hatte sich in diesem Moment verändert: Aus dem Start-Up war der Marktführer und ein Quasi-Monopolist geworden.

Mit der Etablierung am Markt verändert sich also die Kunde-Marke-Beziehung entscheidend.

Was bedeutet das für Start-Up Marken?

Ab diesem Moment wird die Marke von den Kunden nach den gleichen Maßstäben gemessen wie etablierte Marken. Sie erwarten Orientierung und eine klare Identität.

Zu Beginn erledigt sich das sozusagen noch von selbst. Die Markenidentität speist sich einerseits aus dem (positiv besetzten) Label ‚Start-Up’ an sich. Wir assoziieren damit Mut, Handlungsschnelligkeit und eine gewisse Underdog-Position. Ein zweiter und markenprägender Faktor ist die Geschäftsidee, die durch ihre Neuheit per se interessant ist. Auf dieser Basis reicht für den Anfang ein differenzierender Markenauftritt zunächst aus.

Da diese Attribute mit der Etablierung am Markt jedoch schrittweise wegfallen gilt es für Start-Ups, rechtzeitig ihre Identität zu definieren.

– Für welche Werte steht die Marke?
– Für welche Themen und Botschaften soll sie stehen?
– Welchen Mehrwert bietet sie den Kunden?
– Wohin soll sich die Marke inhaltlich entwickeln?

Diese neuen Erwartungen und Ansprüche der Zielgruppen lassen sich nicht (nur) mit neuen Kommunikationskanälen oder Werbebotschaften erfüllen. Das junge Unternehmen steht also vor der Herausforderung Strukturen zu schaffen, die eine ‚konventionelle’ Markenentwicklung und -führung ermöglichen. Dabei gilt es, die Flexibilität und Handlungsschnelligkeit aus der Start-Up Phase zu erhalten und nicht von Prozessen gelähmt zu werden.

Für diesen Schritt bringen Start-Ups in der Regel Vorteile gegenüber ‚traditionellen’ Unternehmen mit. Sie sind bereits auf eine zentrale Idee fokussiert und sind es gewohnt, die Kundenerlebniskette ganzheitlich zu denken und bringen eine Gründungsgeschichte mit.

Schwieriger ist dagegen das Verankern der Marke innerhalb des noch jungen Unternehmens. Denn auch für die Mitarbeiter spielt sie mit zunehmendem Wachstum des Unternehmens eine immer wichtigere Rolle. Diese Perspektive wird in einem zweiten Beitrag näher beleuchtet.